Eine Mission, unzählige Möglichkeiten
Die komplexe Steuerung ist dringend vonnöten, denn Watch Dogs 2 lockt mit unglaublich vielen Möglichkeiten und der Freiheit viel auszuprobieren. Das sorgt für Spannung und Abwechslung bei den Sandbox-Missionen. Oft kostet es schon einiges an Köpfchen, überhaupt erst in die Gebiete vorzudringen oder eben den schnellsten und geschicktesten Weg zu erspähen. Die KI der Wachmänner ist zwar nicht die Hellste - beispielsweise hört sie manchmal einfach auf uns zu verfolgen, nur weil wir einen Schritt aus dem Sperrgebiet getan haben und sieht unbeeindruckt zu, wenn wir dort einen Kollegen meucheln - wird aber immerhin schnell aufmerksam und macht auch mit unseren Drohnengehilfen kurzen Prozess.
Im Gegensatz zur Story hält uns diese Herausforderung tatsächlich bei der Stange. Die Geschichte selbst ist leider nämlich tatsächlich eher Stangenware. Okay, diesen schlechten Wortwitz nehmen wir lieber wieder zurück. Allerdings gehören leider auch solche verbalen Eskapaden zu unserem coolen Outlawclub. Wenn etwas mal nicht klappt, ist das nicht nur eine ausgemachte Cyberstrophe, auch sonst lieben die Figuren hippen Slang und coole Sprüche. Wir dissen, ragen und chillaxen uns eben so durch den Hackeralltag.
Dedsec ist genau so, wie man sich einen Trupp jugendlicher Rebellen vorstellt, wenn die eigene Jugend schon ein Weilchen zurückliegt - nämlich mit Unmengen an Klischees überladen. Es gibt den autistischen Außenseiter, der aber natürlich ein virtuelles Genie ist, die lässige Punkerlady und den coolen Mechaniker, der sogar eine Maske mit gängigen Smileycodes trägt. Bis zum Ende bleiben diese Charaktere so eindimensional, wie wir sie kennenlernen. Da nützt es auch nichts, dass wir immer wieder Übertragungen finden, die uns nahelegen, dass der maskierte Wrench schüchtern Frauen gegenüber ist oder die bunt geschminkte Sitara heimlich gegen ihre reiche Familie rebelliert.
Wir haben eine Bande Rotzlöffeln vor uns, die sich immer wieder mit Gangstern und Autoritäten in die Haare kriegen - vordergründig, um die Daten der Leute zu schützen. Aber in den Gesprächen geht es trotzdem immer nur um Follower, Credit und coole Aktionen, was es schwer zu glauben macht, dass es wirklich um mehr als Selbstdarstellung geht. Das untergräbt nicht nur die eigentliche Prämisse der Geschichte, sondern fällt auch immer wieder negativ auf, wenn es doch mal interessant wird - vor allem Gegenspieler Blume hat als Hacker und gerissener Firmenboss nämlich durchaus Potenzial, ebenso wie die gerissene Lenni, die sich mit ihrer Hackergruppe gegen Dedsec stellt. Beide Charaktere werden aber in so vielen pseudocoolen und erzwungen lustigen Dialogen verbraten, dass es uns schwerfällt, sie ernst zu nehmen.
Schöne neue Welt
Dabei ist das gleichzeitig das größte Problem der Rahmenhandlung: Sie nimmt sich selbst zu ernst. Und das funktioniert nicht, wenn die Charaktere eigentlich auf eine kunterbunte Komödie ausgelegt sind. Statt einer selbstironischen Satire wie bei Saints Row 4 bekommen wir hier so nur ordentlich Fremdschäm-Potenzial präsentiert. Dabei verfeinert Watch Dogs 2 eigentlich die Spielmechanik des Vorgängers und könnte so auch die alten Fans wieder abholen - die Story vollzieht allerdings eine 180-Grad-Wendung. Man hat das Gefühl, Ubisoft will sich mit aller Kraft von Trauerkloß Aiden distanzieren und endlich sympathische Charaktere etablieren, schießt dabei aber hoffnungslos übers Ziel hinaus. Wenn überhaupt, dürfte die Fortsetzung auf diese Weise eine deutlich jüngere Zielgruppe als noch das letzte Watch Dogs ansprechen.
Schade, dabei hat die Geschichte durchaus auch für ältere Spieler interessante Aspekte. Auch wenn Sie nichts auf ihre gewöhnungsbedürftigen Protagonisten kommen lässt, nimmt sie nämlich sonst alles aufs Korn, was wir aus Film und Fernsehen so kennen. Große Firmen wie Google, Youtube und Facebook werden unter falschen Namen veralbert und hier schafft es Watch Dogs tatsächlich glaubhaft, auch auf die Gefahren des Datenmissbrauchs und der Überwachung hinzuweisen - indem es einen tatsächlichen Bezug zu unserer Welt herstellt. Geschichten wie die »Spionage-Barbie«, die tatsächlich für Aufruhr sorgte, sind ebenso drin wie real existierende Personen wie der Zodiac-Killer oder Filmikonen wie das Alien.
Wir freuen uns beim Spielen immer wieder über die kleinen Anekdoten und Referenzen, die die Umgebung interessant und lebendig machen, werden aber auch daran erinnert, wie nah die Hackerwelt bereits der unsrigen ist. Das ist auch nötig, damit uns das Spiel wirklich in den Bann ziehen kann. Auch wenn San Francisco wirklich hübsch aussieht, haben wir kaum Lust, die Stadt auf eigene Faust abseits der Missionen zu erkunden.
Während GTA 5 uns mit vielen interessanten Orten lockt, die ihre ganz eigene Geschichten haben, wirkt San Francisco seltsam gleichförmig und steril - lediglich geskriptete Ereignisse wie ein kleiner Ehekrach oder spielende Hunde wecken unsere Neugier, richtig etwas erzählen will uns die Stadt aber nicht. Mit Ausnahme vom Silicon Valley, das mit seinen großen Medienkonzernen und den vorbeigehenden Smartphone-Zombies ebenso spannend wie schauderhaft eine mögliche gläserne Zukunft einfängt. Die Gespräche und Infokästen über den Passanten sind dafür wie im ersten Teil zwar eine nette Idee, haben aber keinerlei spielerische Aussagekraft abseits des allumfassenden Überwachungscharakters. Generell bleibt die KI teilnahmslos, wenn wir sie nicht direkt ins Geschehen involvieren, indem wir zum Beispiel mit gezogener Knarre herumlaufen.
PC-optimiertes Sightseeing
Technisch macht die PC-Umsetzung einen deutlich besseren Eindruck als die Konsolenversion, bei der immer wieder deutlich sichtbar nachladende Texturen und Schatten das Sightseeing in San Francisco störten. Dabei lässt schon allein das Grafikmenü das Herz eines jeden PC-Spielers höher schlagen: Hier gibt es nicht nur jede Menge Optionen von der Texturauflösung über die Schatten- und Wasserqualität bis hin zu verschiedenen Varianten der Kantenglättung (inklusive MSAA), sondern auch eine Anzeige für die Belegung des Grafikspeichers und einen Indikator für jede einzelne Option, der genau darstellt, wie viele Stufen insgesamt auswählbar sind – so gehört sich das!
Die PC-Version hat dabei viele exklusive Nvidia-Features wie die Kantenglättung per TXAA, zusätzliche Schattenwürfe per HBAO+ und die Schattendarstellung per HFTS (»Hybrid Frustrum Traced Shadows«) zu bieten, wobei HBAO+ auch mit AMD-Grafikkarten auswählbar ist. Ebenfalls sehr erfreulich: In Sachen Performance macht Watch Dogs 2 bislang einen guten Eindruck frei von störenden Framedrops auf uns. Wer mit etwas reduzierten Details leben kann, der erreicht auch mit eher langsamer Hardware wie einem FX 6300-Prozessor und einer Radeon R9 270X von AMD auf der mittleren Stufe gut spielbare fps-Werte von über 50 Bildern pro Sekunde.
Auf der Detailstufe »Ultra« ist Watch Dogs 2 gleichzeitig sehr anspruchsvoll, hier schafft selbst eine GTX 1070 in Kombination mit einem Core i5 2500K nur ähnliche Werte im Bereich von 50 fps, mit vierfacher Kantenglättung per MSAA sind es sogar nur noch 35 fps. Watch Dogs 2 sieht dann allerdings durch seine hohe Weitsicht, die sehr stimmige Beleuchtung und die scharfen Texturen sehr gut aus und bringt die mit viel Liebe zum Detail gestaltete Welt so besonders gut zur Geltung. Mehr Details zu der Performance und der Optik des Spiels finden Sie im separaten Technik-Check zu Watch Dogs 2.
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