An einem Spiel wie Ghost Recon: Breakpoint arbeiten mittlerweile über 1.000 Entwickler überall auf der Welt. Triple-A-Titel wie Read Dead Redemption 2, Battlefield 5 oder Anthem werden mit unglaublichem Aufwand und Budget umgesetzt. Derweil kämpfen Indie- und Kickstarter-Projekte wie Kingdom Come: Deliverance oder No Man's Sky mit der Mammut-Aufgabe, Zocker auf der ganzen Welt zu begeistern. Und alle Studios - egal ob 1.000 oder 10 Leute groß - müssen sich der gleichen Herausforderung stellen: Wie stemme ich das, ohne meine Mitarbeiter zu überlasten?
Crunch, Stress, Burnout und gesundheitsschädliche Dauerbelastungen werden immer häufiger Diskussionsthema innerhalb der Gaming-Branche. Zuletzt sorgte die Anthem-Entwicklung für bedrückende Schlagzeilen. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshof könnte solche Zustände bald zumindest im EU-Raum (und damit auch in Deutschland) verhindern.
Im Beschluss wird festgehalten, dass Arbeitgeber künftig die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter genau protokollieren müssen. Das soll den Arbeitnehmer schützen. Ruhezeiten müssen eingehalten und Dauerbelastungen vermieden werden. Profitiert die Gaming-Branche davon? Und wann können wir damit rechnen, dass der Gesetzgeber den Beschluss umsetzt?
Um Antworten zu bekommen, haben wir zwei Anwälte gefragt. Im Folgenden findet ihr Fragen und Antworten, die euch über alle Aspekte der Änderung informieren sollten. Sofern ihr danach noch fragen habt, schreibt sie in die Kommentare und wir drehen mit unseren Experten einfach eine zweite Runde.
Mehr zum Thema: Unsere Podcast-Folge zu Crunch und Arbeitsüberlastung
Unsere Ansprechpartner: Sebastian Schwiddessen, LL.M. ist Rechtsanwalt im Bereich IT- und Medienrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie. Dort berät er nationale und internationale Mandaten aus der Entertainment- und IT-Branche.
Unsere Ansprechpartner: Dr. Matthias Köhler, LL.M. ist Rechtsanwalt im Bereich Arbeitsrecht im Berliner Büro von Baker McKenzie. Er berät laufend Mandanten aus der Medien- und Technologiebranche zu allen Fragen des Arbeitsrechts.
Unsere Fragen an die Anwälte
Was genau sagt das neue Urteil des EuGH?
Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-55/18 vom 14. Mai 2019 müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Nur so könnten die nützliche Wirkung der von der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta verliehenen Rechte gewährleistet werden.
Das Urteil aus Luxemburg betrifft sämtliche Unternehmen und Mitarbeiter in Deutschland und zwar unabhängig davon, ob es sich um Mitarbeiter in der Produktion, im Büro oder im Home-Office handelt. Zur Zeit besteht Aufzeichnungspflicht nach deutschem Recht grundsätzlich ausnahmsweise nur dann, wenn ein Arbeitnehmer an einem Werktag länger als acht Stunden arbeitet; Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen muss dagegen immer komplett aufgezeichnet werden.
Was waren die Hauptgründe des EuGH für seine Entscheidung?
Der Gerichtshof begründete seine Entscheidung unter anderem mit der Bedeutung des Grundrechts eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten. Ohne eine entsprechende Aufzeichnungsverpflichtung bereits ab der ersten Minute würde es dem Arbeitnehmer als schwächerer Partei des Arbeitsvertrages jedenfalls erschwert, seine Rechte geltend zu machen.
Die objektive und verlässliche Bestimmung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit sei für die Feststellung, ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit einschließlich der Überstunden sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten eingehalten wurden, unerlässlich.
Ein Arbeitszeiterfassungssystem böte den Arbeitnehmern ein besonders wirksames Mittel, um einfach zu objektiven und verlässlichen Daten über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zu gelangen, und erleichtere dadurch sowohl den Arbeitnehmern die Durchsetzung ihrer Rechte als auch den zuständigen Behörden und Tatsachengerichten die Kontrolle der tatsächlichen Beachtung dieser Rechte.
Gibt es jetzt schon To-Dos für die Unternehmen?
Nein. Der Ball liegt jetzt erst einmal beim Gesetzgeber. Der Arbeitsminister hat allerdings unmittelbar nach Verkündung des Urteils in Aussicht gestellt, dass der deutsche Gesetzgeber spätestens zum 1. Januar 2020 eine entsprechende Gesetzesänderung implementieren möchte.
Auch die Gewerkschaften werden sich für eine zügige Umsetzung einsetzen. Unter diesem Gesichtspunkt ist natürlich interessant, dass die Spieleindustrie zuletzt die ersten Gründungen von Gewerkschaften wie der Game Workers Unite gesehen hat, die mittlerweile auch in Deutschland vertreten ist.
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