Immortals Fenyx Rising hat es nicht leicht. Ubisofts ehemals als Gods & Monsters bekanntes Action-Adventure steigt in den Ring gegen die hauseigene Konkurrenz Assassin's Creed Valhalla und Watch Dogs Legion. Kaum jemand hätte da wohl all sein Erspartes auf die griechisch-mythologische Cartoon-Open-World gesetzt.
Ein fataler Fehler, denn Immortals Fenyx Rising hat den großen Open Worlds 2020 einiges entgegenzusetzen. In der rund 40-stündigen Kampagne begeistern uns immer wieder frischen Ideen sowie ein Spielerlebnis, das wir nicht so schnell vergessen werden. Doch auch diese Open World strauchelt im Kampf mit Ubisofts altbekannten Marotten.
Zumindest beim Szenario startet Immortals Fenyx Rising ungewohnt abgedreht: Unsere Reise beginnt damit, dass wir uns wahlweise Held oder Heldin Fenyx im Charakter-Editor zusammenbasteln und nach einem Schiffbruch auf der griechisch mythologischen Goldinsel landen.
Hier bekommen wir gleich zwei gute Gründe, ordentlich auf den Putz zu hauen: Die Götter wurden ihrer Essenzen beraubt und unser Bruder zu Stein verwandelt - alles von dem machthungrigen Unsympathen Typhon. So fetzig das erstmal klingen mag, wirklich spannende Wendungen oder Figuren sucht man hier vergebens. Stattdessen ist wie so oft der Weg das Ziel, denn wirklich grandios wird das Spiel vor allem durch seine Open World.
Ihr spielt Immortals Fenyx Rising schon und braucht Tipps zum Start? Der große GameStar-Guide erklärt euch, was Testerin Géraldine gerne vorher gewusst hätte:
Eine Open World für Reiselustige
Die Welt von Immortals Fenyx Rising erschafft von der ersten Sekunde an einen großartigen Flow. Sie treibt euch immer weiter nach vorn: Von einem Kampf in den anderen, einem Rätsel zum nächsten, von Entdeckung zu Entdeckung.
Denn wir erkunden mit unserem eigenen Kompass die Open World und experimentieren mit unserer Umgebung, statt von Questgebern genötigt zu werden oder stumpf eine mit Icons vollgeklatschte Minimap abzugrasen. Wir erforschen aus purer Reiselust und Neugier die sieben abwechslungsreichen Regionen, von denen vier jeweils einem griechischen Gott gehören.
In Hephaistos Schmiedelande erwarten uns mechanische Monster, Steintempel und goldene Felder. Aphrodites Tal des ewigen Frühlings versprüht mit seinen saftigen grünen Wiesen aus allen Poren Zelda-Flair. Und wo wir gerade bei The Legend of Zelda sind, sprechen wir mal den Goronen im Raum an: Die Parallelen zu Breath of the Wild sind nicht zu übersehen.
Wie mit einem Fernglas erkunden unsere Umgebung und markieren uns selbst interessante Orte wie bewachte Schatztruhen, Rätselschreine oder Herausforderungen. Dafür müssen wir aber nicht auf einem Aussichtsturm sitzen, das geht jederzeit und überall. Unser Tipp: Ignoriert dieses Tool.
Am besten fühlt sich Immortals Fenyx Rising an, wenn ihr diese Entdeckungen ganz von allein auf eurer Reise durch die Welt macht. Die Hauptstory führt euch zwar organisch früher oder später in die meisten Bereiche der Insel, ihr könnt aber auch darauf pfeifen und die Regionen völlig frei nach Lust und Laune erkunden. Oft bekommt ihr sogar eine eigene Zwischensequenz, wenn ihr eine Aufgabe der Hauptmission schon zu einem anderen Zeitpunkt erledigt habt.
Das freie Erkunden der Welt ist das Highlight von Immortals: Wir fliegen über die goldenen Felder und entdecken am Horizont ein gigantisches Drachenskelett, über dem gerade die Sonne aufgeht. Wir erklettern einen Felsen im Meer und sehen in der Ferne einen kleinen Tempel, auf dessen Dach es verdächtig glitzert.
Wir springen aus luftiger Höhe, gleiten mit unseren Flügeln über die Welt, rufen im Flug unser Pferd herbei, auf dem wir ohne anzuhalten landen und den Rest des Weges galoppieren, umgeben vom Krächzen mythologischer Kreaturen. Die Bewegung über die Goldinsel fühlt sich selbst dann großartig an, wenn wir überhaupt kein bestimmtes Ziel haben und die Welt sprüht vor Fantasy-Atmosphäre. Doch keine Sorge, in Immortals seid ihr weit mehr als bloß ein Reisetourist.
Wie rund läuft die Technik?
In unserer Testversion sind wir bis auf zwei Abstürze auf keinerlei Bugs oder technische Probleme gestoßen. Stabile 60 fps und Full HD erreicht ihr außerdem schon mit einer GTX 1070 oder AMD RX Vega 56 - extra aufrüsten müsst ihr euren Rechner für Immortals Fenyx Rising also nicht.
Die Ladezeiten nach einem Tod oder beim Nutzen der Schnellreisefunktion können allerdings mal etwas länger dauern. Teilweise mussten wir selbst mit SSD-Festplatte zwischen 10 und 30 Sekunden auf einen Wiedereinstieg warten.
Krachende Action-Kämpfe
Auf der Insel warten jede Menge griechische Monster wie Zyklopen, Hydras und Höllenhunde darauf, von uns nach allen Regeln der Action-Adventure-Kunst vermöbelt zu werden. Dabei bekommen wir im Wesentlichen das, was wir vom Genre erwarten: leichte und schwere Angriffe, Fernkampf mit dem Bogen, ausweichen, kontern.
Innerhalb dieser bekannten Kost gibt es aber auch spannende Ideen: Schnelle Schwertschläge laden unsere Ausdauer für Spezialangriffe auf, bei schweren Angriffen wechseln wir automatisch zur Axt. Mit der Zeit schalten wir außerdem weitere Kombos und Spezialangriffe frei und die Kämpfe werden immer variantenreicher.
Vier verschiedene Schwierigkeitsgrade
Ihr könnt jederzeit zwischen den Schwierigkeitsgraden Story, Einfach, Normal und Schwer wechseln. Nach erfolgreichem Durchspielen auf einem der Schwierigkeitsgrade schaltet ihr außerdem noch den besonders herausfordernden Alptraum-Grad frei.
Eure Wahl beeinflusst die Stärke eurer Gegner und ob sich eure Lebensleiste von allein wieder auffüllt. Auf dem normalen Schwierigkeitsgrad erhaltet ihr nach einem Kampf nur den jeweils angebrochenen Abschnitt eurer Leiste zurück.
Wir hocken auf einem hohen Aussichtspunkt und beobachten eine Horde Gegner. Mit unserem selbst steuerbaren magischen Pfeil verpassen wir einer Hydra einen Kopfschuss, dann stürzen wir uns von der Säule und schalten zwei Schergen mit unserem Stealth-Angriff aus. Im Gegensatz zu Assassin's Creed ist der aber wesentlich auffälliger und führt im Anschluss immer zwangsläufig zum Kampf.
Wir springen in die Luft, befördern zwei Hydras mit schnellen Schwertschlägen ins Jenseits und verteilen mit unserem Spezialangriff Hephaistos Hammer saftigen Flächenschaden. Ein Zyklop schmettert uns einen Felsen entgegen, den wir mit unserer göttlichen Macht fangen und zurückschleudern. Zusammen mit den krachenden Sound- und Grafik-Effekten fühlt sich dass auch nach vielen Stunden noch großartig an.
Diese Art von Kreativität macht irrsinnigen Spaß, ist aber oft eher freiwillig, denn besondere taktische Tiefe solltet ihr nicht erwarten. Die optionalen besonders schweren Bosskämpfe, von denen es eine Handvoll in jeder Region gibt, erfordern zwar auch mal eine gute Strategie - die Standardgegner werden aber ab dem zweiten oder dritten Gebiet sehr leicht und lassen sich theoretisch problemlos mit der bewährten »Ausweichen und Kontern«-Methode ausschalten.
Das mag einen Dark-Souls-Enthusiasten jetzt enttäuscht schnauben lassen, doch diese niedrigschwelligen Kloppereien erfüllen einen wertvollen Zweck: Sie spielen dem flotten Gameplay-Rhythmus der Open World ganz und gar in die Karten. So flutschen wir während unserer Reise von einer Gegnerhorde in die nächste, vermöbeln sie mit ein paar gut platzierten Treffern und sind auch schon wieder am Erkunden, ehe wir »Minotaurus« sagen können.
Sowohl auf Tastatur als auch mit dem Gamepad können wir uns sämtliche Befehle frei belegen. Aufgrund der vielen unterschiedlichen Kombos ist das Gamepad aber die elegantere Wahl, wenn ihr euch nicht die Finger verknoten wollt.
So funktioniert der Hub
Nach erfolgreichen Missionen empfiehlt es sich, in die Halle der Götter zurückzukehren. Hier versammeln sich alle Gottheiten, die ihr mit der Zeit befreit. Außerdem nutzt ihr an den verschiedenen Stationen gesammelte Ressourcen, um euch aufzuleveln und für die kommende Reise zu rüsten.
- Lebensleiste: Mit Ambrosia, das ihr an schwer zugänglichen Orten der Welt findet, erweitert ihr euren Lebensbalken.
- Ausdauer: Eure Ausdauer zum Klettern, Fliegen und Kämpfen verbessert ihr mit Zeus Blitzen, die es als Belohnung für abgeschlossene Rätselschreine gibt.
- Schmiede: Eure Rüstung, Waffen, Pfeile und Trank-Taschen levelt ihr mit Edelsteinen auf. Das Level gilt global für alle Objekte des jeweiligen Typs.
- Spezialfähigkeiten: Neue Kombos und Spezialattacken gibt es für Goldmünzen - die wiederum sind häufig Belohnung für abgeschlossene Open-World-Rätsel.
- Tränke brauen: Am Kessel braut ihr euch mit gesammelten Zutaten Tränke für Heilung, Ausdauer, Angriff und Verteidigung.
- Charakter-Editor: Auf dem Friseurstuhl könnt ihr auch während des Spiels jederzeit euer Aussehen und Geschlecht verändern - ohne zusätzliche Kosten.
- Prüfungen: Mit Tages- oder Wochenaufgaben verdient ihr Elektra - eine Währung, für die ihr kosmetische Skins kaufen könnt. Alternativ gibt es die Skins auch für Echtgeld zu kaufen.
Einen eher geringen Einfluss auf die Kämpfe haben die Rüstungen und Waffen, die wir im Laufe des Spiels finden - es gibt also keinen Loot-Grind à la Assassin's Creed Odyssey. Denn statt einzelne Ausrüstungsteile leveln wir in der Schmiede gleich die ganze Rüstungskategorie in einem Rutsch. Also alle Schwerter auf einmal. Oder alle Rüstungen. So unterscheiden sie sich lediglich in ihren jeweiligen Spezialeffekten und ihrer Optik, die sich allerdings auch kostenlos anpassen lässt. Rollenspiel-Fans dürfte das zu seicht sein und kaum zum Sammeln neuer Gegenstände motivieren - zumal die Auswahl von möglichen Rüstungen, Schwertern und Äxten mit jeweils zwölf Stück am Ende auch überschaubar bleibt.
Andererseits hat dieses In-einem-Rutsch-Aufleveln den Vorteil, dass wir nie eine zu starke oder zu schwache Waffe finden und jederzeit mit den unterschiedlichen Spezialeffekten experimentieren können. Auch das stärkt eben wieder die Identität von Immortals Fenyx Rising: möglichst zugänglich für alle Spielertypen sein und unkomplizierten Spielspaß bieten. Zumal nicht immer die Beute selbst die größte Motivation für eine Schatzsuche ist - sondern die Rätsel, hinter denen sie sich versteckt.
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