The Bard’s Tale 4 angespielt - Ein Rollenspiel, das mehr Aufmerksamkeit verdient

Wer Legend of Grimrock mag, könnte sich in Bard’s Tale 4 verlieben. Das Oldschool-Rollenspiel geht nämlich einen gehörigen Schritt weiter als das Dungeon-Crawler-Revival.

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The Bard's Tale 4 könnte sich zum echten Geheimtipp mausern. The Bard's Tale 4 könnte sich zum echten Geheimtipp mausern.

In unseren Rollenspiel-Charts sind zwei der drei Top-Platzierungen Oldschool-RPGs. Pillars of Eternity 2 steht in direkter Tradition von Baldur's Gate, unser aktueller Spitzenreiter Divinity: Original Sin 2 atmet die Vibes altehrwürdiger Genre-Klassiker. Man kann also sagen: Oldschool ist trendy. Aber selbst für eingeschworene Fans von Baldur's Gate und Icewind Dale dürfte The Bard's Tale von 1985 nochmal eine gehörige Schippe »oldschooliger« sein.

In dem Dungeon Crawler von einst rettete eine tapfere Gruppe von Helden und Heldinnen die Stadt Skara Brae vor dem Untergang. Dieses Unterfangen war so unkomfortabel, wie PC-Spiele dieser Ära nun mal waren: Wer speichern wollte, musste immer wieder zurück zur Gilde der Abenteurer. Manchmal verlor man drei Stunden Fortschritt durch einen dummen Fehler.

Wer aufleveln wollte, latschte zu einem speziellen Ort, den man natürlich erstmal rausbekommen musste. Und den man sich hoffentlich auf einer selbst gemalten Karten (Karopapier!) markiert hatte. Es gab kaum Hinweise, kaum Orientierung - The Bard's Tale ist aus heutiger Sicht ein knallharter Brocken, mit dem junge Zocker wahrscheinlich niemals in Berührung kommen werden.

Schade, denn Spiele wie The Bard's Tale legten das Fundament für moderne Rollenspiele. Und mit The Bard's Tale 4: Barrows Deep bekommt der Klassiker im September 2018 sogar eine offizielle Fortsetzung. Wir haben eine mehrstündige Demo gemeinsam mit den Entwicklern gezockt und halten fest: Wer nicht bis 1985 zurückreisen will, könnte hier eine wahrlich coole Alternative finden, die sich ziemlich einzigartig spielt.

Helden am Galgen

Machen wir uns nichts vor: The Bard's Tale 4 wird wie Legend of Grimrock eher ein Nischenspiel bleiben. Dungeon Crawler aus Ego-Sicht fühlen sich fast schon aus Prinzip sperriger an als der AAA-Hochglanz eines The Witcher 3. Aber sei's drum, gerade deshalb finanziert sich Entwickler inXile ja auch über Crowdfunding: Um genau die Nische zu bedienen, die sich mal wieder ein ganz, ganz klassisches Dungeon-Crawler-Rollenspiel wünscht.

In der Oberstadt von Skara Brae verliert man schnell seinen Kopf. Deshalb flüchten wir in die Unterstadt. In der Oberstadt von Skara Brae verliert man schnell seinen Kopf. Deshalb flüchten wir in die Unterstadt.

Deshalb scheut sich das Team auch nicht, Bard's Tale 4 als direkten Nachfolger des 30 Jahre alten The Bard's Tale 3 anzulegen. Im Spiel geht es zurück ins magische Städtchen Skara Brae. Um Neueinsteiger aber nicht zu verschrecken, findet ein Zeitsprung von über 100 Jahren statt. Man muss die Vorgänger also nicht gespielt haben, findet als Veteran jedoch haufenweise Reminiszenzen an damals. So wurde die Unterstadt von Skara Brae in Teil 4 auf Basis der Stadtpläne von damals entwickelt.

Die Story selbst beginnt mit einem netten Kniff: In der Eröffnungssequenz sieht man die Gesichter einer wackeren Heldentruppe, die direkt im Anschluss … am Galgen stirbt. In Skara Brae übernimmt der militante Orden der Fatherites die Kontrolle, verfolgt Fremdlinge jedes Volkes und richtet diese mit fanatischem Eifer hin.

Nur mit Mühe gelingt unserer Heldenfigur die Flucht in die unterirdischen Barrows, die zentrale Hub-Welt von The Bard's Tale 4. Das Ziel reiht sich ins Questbuch der High-Fantasy-Vorlagen ein: Das böse Regime stürzen, die Geheimnisse dahinter freilegen, Dungeons durchforsten, Helden aufleveln und auf dem Weg zum Ziel mächtige Beute ergattern.

Weniger soll mehr sein

Wer will, darf in The Bard's Tale 4 auf vorgefertigte und voll vertonte Charaktere zurückgreifen. Echte Pen&Paper-Veteranen basteln sich stattdessen natürlich eine eigene Truppe. Mehrere Figuren können gemeinsam hinaus in die Welt, man kann jedoch weitere Avatare auf der Ersatzbank speichern, um die Team-Zusammenstellung je nach Herausforderung anzupassen.

Das rundenbasierte Kampfsystem spielt sich sehr flott und dynamisch. Das rundenbasierte Kampfsystem spielt sich sehr flott und dynamisch.

Im Charaktereditor wählt man aus vier Archetypen: Krieger, Barde, Schurke und Zauberer (wir übersetzen hier grob die englischen Bezeichnungen der Demo). Vier Klassen klingen erstmal nach wenig, Entwickler inXile entscheidet sich aber bewusst für diese abgespeckte Grundlage.

Man will darauf verzichten, unzählige Abstufungen in Skills und Klassen anzubieten, die sich letztlich nur marginal unterscheiden. Statt freischaltbaren Perks wie »+2 Magieschaden« sollen sich Upgrades wie wuchtige Werkzeuge anfühlen, die den Kampf wirklich erweitern. Beispielsweise bringen wir unserem Barden bei, mit der Trommel einen brennenden Schutzkreis um uns zu beschwören, an dem sich Angreifer ordentlich verkokeln (zum Kampfsystem kommen wir gleich).

Das soll aber nicht heißen, dass es im Fähigkeitenbaum keine Vielfalt gibt. Jeder Archetyp kann sich später in drei Subklassen aufspalten, Dutzende Skills aktivieren - hier handelt es sich durch und durch um ein Rollenspiel, allerdings mit einem Fokus auf direkte Spielbarkeit.

The Bard's Tale 4 hat nicht den größten Skilltree der Welt, dafür sollen einzelne Aufwertungen sich ... ähm ... wertig anfühlen. The Bard's Tale 4 hat nicht den größten Skilltree der Welt, dafür sollen einzelne Aufwertungen sich ... ähm ... wertig anfühlen.

Übrigens sind auch frei erstellte Charaktere voll vertont. Die wählbaren Völker sehen wie punkige Überarbeitungen klassischer Fantasy-Stereotypen aus: Zwerge haben keine langen Bärte, sondern steinerne Körper. Elfen wirken wie ein Mix aus Hochelf und Romulaner.

Der Bruch mit dem Klassiker

Anders als früher (oder auch in Legend of Grimrock) erkunden wir die Welt nicht, indem wir die Spielfigur über ein unsichtbares Gitternetz bewegen. Stattdessen steuern wir Kamera und Bewegungen wie in einem Ego-Shooter völlig frei. Die Welt fällt deutlich größer aus als in den Klassikern, man bereist neben Skara Brae fremde Ortschaften, Ländereien und Dungeons, insgesamt soll man für die Kampagne knapp 30 Stunden brauchen.

Da weint der Hardcore-Fan jetzt der grid- und rundenbasierten Bewegung nach, doch keine Sorge: Alle anderen Features eines guten Dungeon Crawlers bleiben erhalten. In den Barrows von Skara Brae gibt es hinter jeder Gasse Geheimnisse, versteckte Schätze, Rätsel und Nebenaufgaben zu entdecken. Innerhalb der Main Quest soll der Schwierigkeitsgrad so skaliert werden, dass man an den Rätseln und Monstern nicht den Verstand verliert - wer abseits der großen Pfade wandelt, stößt jedoch auf echte Kopfnüsse.

Die klassische Dungeon-Formel aus Rätseln, Monstern und Schätzen bleibt unangetastet. Die klassische Dungeon-Formel aus Rätseln, Monstern und Schätzen bleibt unangetastet.

Und hier entfaltet sich während unserer Anspiel-Session der große Charme von The Bard's Tale 4. Dungeon Crawler arbeiten geschickter als andere Rollenspiel-Subgenres mit einer unheimlich detaillierten Levelumgebung, die weniger in großen Panoramen und mehr in interaktiven, spannenden Einzelschauplätzen denkt.

Nach einer Weile schaltet man Abkürzungen frei, lernt das Areal bis in die hinterletzte Ecke kennen, saugt die Geschichten und NPCs auf. In puncto Leveldesign kann die Demo wirklich glänzen. Der zweite große Pluspunkt von The Bard's Tale 4 ist das Kampfsystem.

Frisierte Rundenkämpfe

Die rundenbasierten Kämpfe erinnern stark an früher. Die Gegner bauen sich groß in der Mitte des Bildschirms auf, die eigenen Recken verteilen sich in einer Formation am unteren Bildschirmrand - wir blicken ihnen quasi über die Schulter. Dabei ist die Position oft schlachtentscheidend: Schützen stehen gedeckt in der hinteren Reihe, unsere Nahkämpfer kloppen an der Front.

Der Clou: In The Bard's Tale 4 ziehen die Helden nicht in einer festen Reihenfolge, sondern man schöpft aus einem Pool an Aktionen, die man frei verteilen kann. Das erinnert an Magic: The Gathering und ermöglicht ziemlich coole Kombinationen, weil sich die eigenen Figuren innerhalb eines Zuges mehrfach die Bälle zuspielen können.

The Bard's Tale 4 bietet klassische High-Fantasy-Klassen und -Völker, variiert den Look aber auf interessante Weise. The Bard's Tale 4 bietet klassische High-Fantasy-Klassen und -Völker, variiert den Look aber auf interessante Weise.

So bringt der Krieger den Feind mit einem Angriff zum Bluten, der Barde schützt den Krieger daraufhin mit einem magischen Schutzschild, wir bewegen beide Figuren außer Reichweite - der blutende Feind muss deshalb nachsetzen, die Bewegung verursacht aber Blutungsschaden. Und wir fühlen uns wie ein taktisches Genie.

Kein sperriger Rückgriff auf Vergangenes

Beim Spielen erinnert das Kämpfen ein wenig an den Flow von Hearthstone. Man versteht die Grundmechanik unheimlich schnell, reiht in Windeseile Kombinationen aus Effekten, Schlägen und Zaubern aneinander - aber erkennt auch, dass hier deutlich komplexere Synergien möglich sind.

Mit seinen flotten Kämpfen, der freien Erkundung, der modernen Aufmachung wirkt The Bard's Tale 4 also durchaus wie ein Spiel der Gegenwart. Die Optik backt technisch zwar kleinere Brötchen, fährt aber ein stimmiges Artdesign auf.

Es atmet den Geist, die Stärken von damals, ist aber kein sperriger Rückgriff auf Vergangenes, sondern eine Wiederbelebung, die alte und junge Rollenspiel-Fans gleichermaßen unterhalten will. Unser erster Anspiel-Eindruck fiel dabei ziemlich positiv aus, im September könnte also eine kleine Nischen-Überraschung auf uns warten.

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