Die GameStar kürt die besten PC-Rollenspiele aller Zeiten - und herrje, wird es darüber ein Gezoffe geben - selbst unser Kolumnist Christian Schiffer kritisiert die Top-100-Liste der Rollenspiele! Wir hören die Kommentare bereits rumoren: »The Witcher ist ja wohl kein Rollenspiel, sondern wildes Action-Geklicke. Wenn Deus Ex als RPG gewertet wird, gehört ja wohl Bioshock mit ins Ranking! Heilige CRPGs wie Baldur's Gate dürfen niemals neben einem JRPG stehen. Und wer um Himmels Willen bezeichnet Assassin's Creed: Odyssey als Rollenspiel?! Ja, liebe GameStar, seid ihr denn verrückt?«
Natürlich sind wir ein bisschen verrückt, schließlich verwirklichen wir hier die bekloppte Idee, die persönlichen Meinungen von zwei Dutzend Redakteuren zu einem großen Rollenspiel-Ranking zu kondensieren. Und mindestens ebenso verrückt: Wir wollen, dass ihr Widerworte gebt! Geigt uns die Meinung, verteidigt eure Rollenspiele, diskutiert, feiert und flucht (jugendfrei), denn all das beweist nur, was für ein leidenschaftliches Genre Rollenspiele eigentlich sind.
Video-Rückblicke mit Stay Forever
Christian Schmidt und Gunnar Lott waren mal GameStar-Redakteure wie wir, doch dann bekamen sie einen Pfeil ins Knie. Heute podcasten sie bei Stay Forever über Retro-Games. Bei einem Redaktionsbesuch haben wir Chris und Gunnar vor die Kamera geschubst, um gemeinsam mit ihnen auf die zehn bestplatzierten Rollenspiele dieser Liste zurückzublicken. Dabei herausgekommen sind rund 90 Videominuten voller Anekdoten und Diskussionen, verteilt auf zehn Video-Rückblicke exklusiv für GameStar Plus.
Darüber hinaus findet ihr bei GameStar Plus noch viele weitere Videos, Reports und Kolumnen passend zu den Rollenspielwochen.
Spielerinnen und Spieler verschenken ihr Herz seit Jahrzehnten an die Ultimas, Skyrims, Witchers und World of Warcrafts dieser Welt, buttern Hunderte Stunden in ihr Lieblings-RPG. Diese Leidenschaft teilen wir, und um sie möglichst allumfassend zu zelebrieren, treten wir mit einer sehr weiten Rollenspiel-Definition an dieses Unterfangen hier heran: Baldur's Gate, Ultima Online und Final Fantasy 7 zählen für uns genauso als Rollenspiel wie Deus Ex, Dark Souls und Gothic. Also genau so, wie wir es schon seit 1997 in unserer Genre-Hitliste machen - egal ob im Heft oder online.
Dennoch betonen wir hier nochmal, dass es sich bei den 100 Top-Rollenspielen um unsere persönlichen Favoriten handelt. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder immerwährende Allgemeingültigkeit. Aber wir glauben fest daran, hier eine echt treffende Sammlung zusammengestellt zu haben. Und nach der Enthüllung von Platz 1 starten wir eine Community-Runde, in der ihr uns eure Lieblingsrollenspiele pitchen dürft. Die besten Postings bekommen ziemlich fette Preise, doch dazu später mehr.
Wie läuft dieses Ranking ab?
Am 20. Juli fällt der Startschuss, die GameStar zelebriert die große Rollenspiel-Sause. Wir präsentieren die Plätze 100 bis 91. Danach enthüllen wir (wie bei den 250 besten PC-Spielen aller Zeiten) täglich neue Platzierungen. Am Sonntag also Platz 90 bis 81, am Montag dann 80 bis 71 und so weiter. Bei den Top 10 machen wir's besonders spannend: Ab dem 29. Juli küren wir jeden Tag zwei Finalisten, morgens und abends. Wer jetzt mitgerechnet hat, wird mathematisch präzise feststellen: Am 2. August fällt der letzte Vorhang - Platz 1 wird gekürt. In den zwei Wochen bis dahin findet ihr auf der GameStar.de die volle Rollenspiel-Offensive. Zum Thema erscheinen Podcasts, jede Menge spannende Plus-Artikel sowie eine Serie von Rückblicks-Videos mit Christian Schmidt und Gunnar Lott von Stay Forever.
100. Dragon's Dogma: Dark Arisen
Entwickler: Capcom
Publisher: Capcom
Release: 2016

Heiko Klinge: Meiner bescheidenen Meinung nach gibt es kein passenderes Spiel, um unsere Rangliste der besten 100 PC-Rollenspiele aller Zeiten zu eröffnen, als Dragon's Dogma. Denn kaum ein anderer Titel dürfte die RPG-Fans derart spalten. Für die einen ein hässliches Action-Gekloppe mit wirrer Story und einer eintönigen Spielwelt. Für die anderen wischt es selbst mit Skyrim den Boden auf, wie ein User seinerzeit unter dem GameStar-Test schrieb.
Ich selbst habe es zum Release ebenfalls ausgelassen und erst im letzten Urlaub auf der Nintendo Switch nachgeholt. Zum Glück! Denn so sehr ich die Kritik an Grafik, Story und Spielwelt nachvollziehen kann, so gut verstehe ich nun auch, warum so viele Spieler Dragon's Dogma bis heute lieben und warum es völlig zu Recht in diese Ruhmeshalle gehört.
Da wären zum einen die Kämpfe gegen haushohe Oger, Hydras und - na klar - Drachen. In keinem anderen Action-Rollenspiel fühlt sich das so … nun ja … glaubwürdig an. Ich kann sie erklettern, schlage einzelne Köpfe ab, erhebe mich mit ihnen in die Lüfte, werde abgeschüttelt und muss jede Bewegung meiner Feinde genau beobachten. So wird auch der 20. Kampf gegen einen Greifen zum einzigartigen Erlebnis.
Die zweite große Besonderheit ist das Vasallensystem. Mit einer Online-Verbindung kann ich nämlich die liebevoll hochgepäppelten KI-Begleiter meiner Freunde und Kollegen herbeibeschwören. Die Vasallen merken sich sogar, was sie auf ihren Abenteuern erlebt haben! Und es ist schon verdammt cool, wenn ich den Eingang zu einem Dungeon suche und mir der Vasall von Kollege Penzhorn sagt, dass er den Weg kennt und voraus läuft. Das gibt's in dieser Form bis heute in keinem anderen Rollenspiel.
Unser GameStar-Test zu Dragon's Dogma: Dark Arisen
Trivia:
- Dragon's Dogma erschien auf dem PC erst drei Jahre nach der Konsolenversion.
- Mit Dragon's Dogma Online wurde in Japan auch ein Free2Play-MMORPG veröffentlicht, das es aber nie nach Deutschland geschafft hat und mittlerweile eingestellt wurde.
99. Grim Dawn
Entwickler: Crate Entertainment
Publisher: Crate Entertainment
Release: Februar 2016

Natalie Schermann: Grim Dawn wird als der geistige Nachfolger von Titan Quest bezeichnet. Einige der Entwickler arbeiteten an beiden Spielen mit und so wurden auch Technologien wie das Chraraktersystem übernommen: Man kann zwei Klassen wählen und seine Fähigkeiten im Skillbaum weiter ausbauen. Auch sonst orientiert sich Grim Dawn an traditionellen Action-Rollenspielen. Wie es sich fürs Genre gehört, laufen die Kämpfe sehr schnell ab und bieten wunderbares Spektakel - alles blitzt, brennt und knallt.
Ich persönlich stehe gar nicht so sehr auf diese schnellen Action-RPGs und die häufig unübersichtlichen Horden-Kämpfe. Dass ich Grim Dawn trotzdem nicht weglegen kann, liegt an einer anderen Stärke: dem Setting. Das Spiel erschafft eine apokalyptische Fantasy-Welt, quasi ein viktorianische Zeitalter, das von Zombies überrannt wurde. So zieht man mich in ein Spiel!
Und ich wurde nicht enttäuscht: Grim Dawn hat eine unglaublich dichte und düstere Atmosphäre. Der Krieg zweier übernatürlicher Kräfte hat das Land von Cairn verwüstet und Angst und Schrecken hinterlassen. Mittendrin kämpft die Menschheit ums Überleben. Die Spielwelt schafft es gerade durch ihre Detailverliebtheit Tristesse und eine unheilvolle Stimmung wiederzugeben. Stößt man in verlassenen und zerstörten Häusern auf Tagebucheinträge oder Briefe, erzählen diese von der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung der Menschen in ihren letzten Augenblicken. Das alles erschafft einen atmosphärischen Schleier, der sich drückend über das ganze Spiel legt.
Auch das Design und die Vielfalt der Gegner tragen nicht wenig zum Spielgefühl bei. Kämpfen wir uns zu Beginn lediglich durch Horden von Untoten, kriechen schon bald ganz andere Bestien aus ihren Höhlen. Mit der wachsenden Bedrohung steigt die Schwierigkeit langsam aber stetig. Dieser fließende Übergang macht es auch Neulingen wie mir einfacher, in das Genre der Action-Rollenspiele einzusteigen.
Grim Dawn lohnt in 2019: Unser Test zum aktuellen Addon von Grim Dawn
Trivia:
- Das Spiel wurde über Kickstarter finanziert. Dabei wurden über 500.000 $ eingenommen.
- Ein 64-jähriger Fan verbrachte mit seinem Charakter Zedlee etliche Stunden in der Early-Access-Version von Grim Dawn. Noch vor Veröffentlichung des Spiels verstarb Lee Hathway allerdings an Krebs. Als Praetorian Zedlee wurde er von den Entwicklern in der Spielwelt verewigt.
98. Rogue
Entwickler: Glenn Wichman, Michael Toy
Publisher: Epyx
Release: 1980

Dimitry Halley: Oh, altehrwürdiges Rogue, Vater des Rollenspiel-Genres, Mutter des Roguelike-Subgenres, wir verdanken dir viel. Und ja, aus heutiger Sicht muss man sich wirklich rein denken in die Faszination, die dieser Klassiker Anfang der 80er ausstrahlte. Denn im Prinzip bewegt man nur ein »@« oder einen Smiley oder irgendein Symbol aus der Vogelperspektive durch einen Dungeon. Plötzlich taucht ein »H« auf, nur steht H für Hobgoblin. Eure Fantasie muss die Lücken füllen. Um zu kämpfen, bewege ich mich in Richtung des Gegners, den Rest erledigt der Zufallsgenerator. Auch die Level sortieren sich bei jedem Neustart anders. Stirbt mein kleiner Fantasy-Schurke, muss ich von vorne beginnen.
Rogue mag man heutzutage vielleicht nicht mehr aktiv spielen, doch wir finden dessen Ideen genau wie die von dnd, pedit5 und NetHack in nahezu jedem modernen Rollenspiel. Im Fall von Rogue sogar wie erwähnt als eigenes Subgenre: In Roguelikes wie Rogue Legacy oder Wizard of Legend oder The Binding of Isaac starte ich in einem prozedural generierten Dungeon, kloppe mich durch Gegner und falls ich ins Gras beiße, bleibt meine Figur tot. Neues Spiel, neue Verteilung, neues Glück.
Der Klassiker war aber weit mehr als Ideengeber. In Rogue erwachte die Faszination einer Dungeons-&-Dragons-Partie zu virtuellem Leben. Spieler sahen eben mehr als ein @, das gegen ein E oder H oder G kämpft. Diese Symbole verkörperten Fantasien: Ich war ein Schurke in einem dreckigen Verlies, der auf der Suche nach dem Amulett von Yendor heldenhaft Kämpfe übersteht, immer stärker wird, grausige Monsterhorden überwindet. Rogue war so gut wie die Geschichten, die ihr euch selbst damit erzählt habt. Und damit wegweisend für die Rollenspiele der kommenden Jahre.
Trivia:
- Die Entwickler von Rogue waren Studenten, als sie das Spiel auf dem Uni-Rechner entwarfen.
- Rogue gibt's übrigens auch fürs Smartphone, falls ihr unterwegs mal in die RPG-Historie eintauchen möchtet.
97. Eye of the Beholder
Entwickler: Westwood
Publisher: SSI
Release: 1991

Heiko Klinge: Eye of the Beholder hat es in die Liste geschafft, aber nicht Lands of Lore? Das halte ich persönlich ja für einen mittelschweren Skandal. Aber zugegeben: Der Dungeon Crawler war 1991 ein echtes Ereignis, obwohl oder gerade weil es sich eigentlich nur um eine ziemlich dreiste Kopie von Dungeon Master handelte. Aber hey, es war eine dreiste Kopie mit offizieller AD&D-Lizenz! Und für uns Rollenspiel-Nerds war Advanced Dungeons & Dragons damals eine echt große Nummer.
Also ab in die Kanalisation von Waterdeep, wo das Grauen lauerte! Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der 13-jährige Heiko war 1991 nicht nur wahnsinnig schreckhaft, sondern hatte bis dato nur Erfahrung mit rundenbasierten Rollenspielen gemacht. Eye of the Beholder lief aber einschließlich der Kämpfe komplett in Echtzeit ab. Und Heidewitzka, hat es mich jedes Mal vom Stuhl gerissen, wenn mich plötzlich hinterrücks Monster angegriffen haben!
Trotzdem blieb ich dran, weil Eye of the Beholder für damalige Genre-Verhältnisse echt klasse aussah und weil es für mich unglaublich faszinierend war, so direkt mit einer Rollenspielwelt interagieren zu können. Ich klickte mit der Maus auf einen Knopf in der Mauer, und es öffnete sich doch tatsächlich ein Tor!
Rein spielerisch gesehen ist Eye of the Beholder alles andere als gut gealtert. Das Balancing passt hinten und vorne nicht, die Puzzles nerven mehr, als dass sie zum Grübeln anregen, und es gibt keine Auto-Map. Übrigens anders als im nur zwei Jahre jüngeren und deutlich runderen Lands of Lore vom gleichen Entwickler. Seufz.
Trivia:
- Der Schwede Andreas Larsson arbeitet derzeit tatsächlich an einer C64-Portierung von Eye of the Beholder.
- Ein großer Teil des Entwicklerteams von Eye of the Beholder erfand nur ein Jahr später mit Dune 2 quasi die klassische Echtzeitstrategie.
96. Ultima Underworld 2: Labyrinth of Worlds
Entwickler: Looking Glass Studios
Publisher: Origin Systems
Release: Januar 1993

Daniel Feith: Die Taktung, mit der Origin Systems Anfang der 90er Rollenspiel-Meisterwerke veröffentlichte, ist absurd. Ultima 7, Ultima 7-2, Ultima Underworld und Ultima Underworld 2 erschienen innerhalb eines einzigen Jahres. Irre.
Umso absurder, dass es dem damals noch eher unbekannten All-Star-Team um Warren Spector, Doug Church und Paul Neurath gelang, das wegweisende Ultima Underworld (mein absolutes Lieblingsspiel!) in nur neun Monaten weiter zu verbessern.
Underworld 2 bot ein größeres Sichtfenster, mehr 3D-Objekte, hübschere Charaktere - und vor allem eine viel besser in die Ultima-Welt eingebettete Story. Dem ersten Teil wurde die Lore ja erst spät übergestülpt; hier beginnen wir gleich im vertrauten Schloss von Lord British und treffen viele liebgewonnene Charaktere.
Ja, die Idee mit den acht unterschiedlichen Welten, in die wir mit dem Avatar reisen, mag etwas konstruiert gewesen sein. Ja, viele der Welten wirkten grafisch eher bemüht, darunter die potthässliche Alien-Welt und die bizarre Ethereal Void, die aussieht als hätte sie der Grafiker unter dem Einfluss illegaler Substanzen erdacht.
Aber hat das den 13-jährigen Daniel gestört? Im Gegenteil! Acht Welten bedeutete: Spannung (wie sieht wohl die nächste aus?), Spiel (Aufpassen! Rutschige Eisflächen!) und… naja Schokolade nicht. Eher Show-off, was diese Entwickler-Angeber wohl als nächstes anstellen würden. Nun, als nächstes Spiel zauberten sie System Shock aus dem Hut. Es folgten Thief, System Shock 2 und Deus Ex. Nuff said.
Faszination Ultima: Aufstieg und Fall der legendären RPG-Serie
Trivia:
- Ultima Underworld 2 spielt zeitlich zwischen den Ereignissen von Ultima 7 und Ultima 7-2: Serpent Isle und ist somit Teil 2 der Guardian-Pentalogie.
- Weil das Team noch einen Bug fixen - aber auch in den Weihnachtsurlaub - wollte, verpasste das Spiel das Weihnachtsgeschäft und erschien erst im Januar. In der Version, die noch den Bug enthielt.
95. The Elder Scrolls 2: Daggerfall
Entwickler: Bethesda
Publisher: Bethesda
Release: September 1996

Dimitry Halley: Daggerfall war ein Geburtstagsgeschenk, das meine Freunde für mich auf ausdrücklichen Wunsch auf Ebay schießen mussten. In einer schönen dicken Schachtel mit ebenso dickem Handbuch. Und ich sehe noch ihre ungläubigen Blicke auf mir ruhen. Was will Dimi bitte mit so einem alten Schinken von 1996 im Jahr 2006? Spinnt der? Die simple Antwort lautet natürlich »Ja«, aber The Elder Scrolls 2 bietet mir eben etwas, bei dem weder Morrowind, noch Oblivion oder Skyrim mithalten können: absolute spielerische Freiheit.
Mein selbst erstellter Avatar landet in einer Open World, die 480.000 Quadratkilometer umfasst! Das ist 3.500 mal so groß wie die Welt von The Witcher 3. Oder 186 mal das Saarland. Es gab Wüsten, Gebirge, unendlich große Sümpfe, Wälder, eine gigantische Bucht. Und ich kann darin tun und lassen, was ich will! Klar, diese irrsinnige riesige Landschaft stammt größtenteils aus dem Zufallsgenerator, aber das hindert mich ja nicht daran, tausende Städte zu bereisen, mit Einwohnern zu feilschen, in zig Magieschulen zu lernen, in Dutzenden Fraktionen aufzusteigen und Hunderte von Dungeons zu leeren.
Wer Skyrim gespielt hat, muss sich Daggerfall als Hardcore-Variante davon vorstellen: Ich kann jede einzelne Waffe separat skillen, sogar die Sprachen von Gegnern lernen, Gossenjargon und Adelsetikette sind zwei unterschiedliche Fähigkeiten. Das kleinteilige Skill-System des Spiels erlaubt mir unheimlich spezielle Charaktere. Wer wollte nicht mal einen Zaubererlinguisten mit Kleptomanie spielen?
Leider ist Daggerfall auch im Bug-Department eher hardcore. Falls ihr euch in Skyrim über Programmfehler geärgert habt, macht ihr euch keine Vorstellung von den vielen Patzern in Daggerfall. Aber hey, war mir als Teenie völlig egal, denn meine Reisen durch die Iliac-Bucht werde ich dennoch nie vergessen.
Unser famoser Podcast zur Faszination von The Elder Scrolls
Trivia:
- Das Spin-Off Redguard spielt ebenfalls in der Welt von Daggerfall, allerdings ausschließlich auf der kleinen Insel Stros M'Kai.
- Die Götter von Tamriel (Akatosh, Dibella und Co.) wurden größtenteils nach Beta-Testern benannt.
94. Shadowrun: Hong Kong
Entwickler: Harebrained Schemes
Publisher: Harebrained Schemes
Release: August 2015

Natalie Schermann: Obwohl ich schon mein Leben lang im Schach gegen meinen Papa verliere, haben mich Strategiespiele von klein auf fasziniert. Shadowrun: Hong Kong vereint sogar zwei meiner Lieblingsgenres - Strategie und Rollenspiel.
Doch was macht Shadowrun: Hong Kong so besonders? Das Spiel schafft es, die Grenzen zwischen Cyberpunk, Science Fiction und Urban Fantasy verschwimmen zu lassen. Anders als in typischen Cyberpunk-Szenarien existiert hier auch Magie. Neben den Menschen bevölkern außerdem andere Rassen wie Zwerge oder Elfen die Welt.
Das alles erlaubte mir also beispielsweise, mit meinem Schamanen-Ork Ignorg - Streetname Iggy - die Straßen von Hong Kong unsicher zu machen. Wir kämpfen uns gemeinsam durch die von schlechtem Qi verunreinigten Slums, verlieren uns in den Tiefen der Matrix und verharren hin und wieder an den Essensständen mit asiatischen Köstlichkeiten. Hmm ... Takoyaki.
Die Atmosphäre der Shadowrun-Spiele lebt neben dem gelungenen Setting zum großen Teil auch vom Storytelling. Dieses ist angelehnt an die gleichnamige Pen&Paper-Vorlage und wird in Texten erzählt. Was für viele erstmal abschreckend klingen mag, funktioniert hier wirklich gut.
[Sie hörte das leise Tuscheln der Menschen, während ihr super cooler Ork Iggy durch die Hafenstadt spazierte. Ein frischer Wind wehte ihr durchs Haar. Beruhigend rauschte das Meer … Doch was war dieser seltsame Geruch, der ihr in die Nase stieg?] Gut, in dem Fall der dringliche Duft eines in der echten Welt vergessenen Kräuterbaguettes, das sich höflich aber bestimmt aus meinem Backofen meldete. Mir fiel es immer leicht, mich in der Geschichte von Shadowrun: Hong Kong zu verlieren.
Je nach Verteilung meiner Skillpunkte habe ich außerdem unterschiedliche Dialogoptionen, die auch den Gang der Ereignisse beeinflussen können. Ich fühle mich, als würde ich ein klassisches Tabletop-Rollenspiel spielen, für das ich keinen Game-Master oder Mitspieler brauche.
Unser GameStar-Test zu Shadowrun: Hong Kong
Trivia:
- Im Spiel ertönt bei dem Nachrichtenformat Horizon-News dieselbe Jingle wie bei GameStar TV. Nur Fritz haben die irgendwie vergessen.
- Wie auch schon Vorgänger Shadowrun Returns kam Shadowrun: Hong Kong nur durch die Unterstützung bei Kickstarter zustande. Dabei erreichte das Spiel jedes einzelne Stretch-Goal und bekam so zusätzliche Charaktere und Kampagnen.
93. Torment: Tides of Numenera
Entwickler: Inxile Entertainment
Publisher: Techland
Release: 28. Februar 2017

Peter Bathge: Selten war der Name eines Rollenspiels so passend gewählt, denn der Torment-Test für die PC Games war damals die reinste Folter für mich. Damit das mal klar ist: Ich liebe es zu lesen. Auch am Bildschirm. Ich habe mir jeden unvertonten Dialog in Pillars of Eternity gegeben - ja, sogar die letztlich bedeutungslosen Beschreibungen der Kickstarter-Backer-Figuren habe ich komplett durchgelesen. Und in Spellforce 3 habe ich jedes Buch studiert. Aber Torment hat mich fast gebrochen.
Nicht nur die Menge an Text überwältigt, auch der teils sehr anspruchsvolle, zuweilen ins Schwülstige abdriftende Schreibstil ist nichts für jedermann. Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Taverne in der ersten Stadt des Spiels. Im Inneren ein halbes Dutzend Gäste und der Barkeeper. Bis ich bei denen wirklich jede Gesprächsoption erschöpft hatte, war über eine Stunde vergangen. Eine Stunde! Und das alles unvertont, das alles in winzig kleiner Schrift - also ne, das war sogar mir eine Spur zu viel.
Aber was Tides of Numenera mit diesen Worten erschafft, ist großartig und entschädigt für den Lese-Marathon! Lebendig wirkende Begleiter, endlos viele Quest-Lösungsmöglichkeiten, bizarre Traumszenen, philosophische Dilemmata, das Spiel steckt voller grandioser Ideen und spannender Weltentwürfe wie einer Stadt auf dem Rücken eines schwimmende Wals. Eben ganz so, wie sich für den Nachfolger von Planescape: Torment gehört.
Trivia:
- In der erwähnten Taverne (die Fifth Eye Bar) trefft ihr unter anderem den Charakter O. Der stellt sich als Buchstabe des göttlichen Alphabets vor und verachtet Sterbliche. Er tauchte bereits in Planescape: Torment auf, ebenfalls in einer Gaststätte: der Smouldering Corpse Bar.
92. Ultima 4: Quest of the Avatar
Entwickler: Origin Systems
Publisher: Origin Systems
Release: September 1985

Dimitry Halley: Heutzutage würde es die Idee hinter Ultima 4 ziemlich schwer haben. Stellt euch mal vor, ein Entwickler pitcht einem Publisher sein Spiel und sagt: »Hey, in unserem Rollenspiel gibt's keinen großen Bösewicht, kein dunkles Unheil. Eigentlich befindet sich die Welt im Frieden - und ihr müsst als Avatar tugendhafte Erleuchtung finden. Super, oder?«
Aber bevor ihr im Kopf jetzt mit »Hm, nicht so wirklich« antwortet: Vor 30 Jahren war die Idee revolutionär, denn Ultima 4 rückte als eines der allerersten Rollenspiele moralisches Handeln in den Vordergrund. Als Spieler muss ich mir den ruhmreichen Avatar-Status nämlich erstmal verdienen. Und das klappt nur, wenn ich mich vernünftig benehme.
Acht Tugenden soll ich meistern, darunter Mitgefühl, Mut, Gerechtigkeit und Milde. Flieht meine Figur voreilig aus einem Kampf und lässt die eigenen Kollegen im Regen stehen, dann schadet das meinem Leumund. Schon die Charaktererstellung setzt auf moralische Dilemmata: Eine Wahrsagerin konfrontiert mich mit einem ethischen Problem - und meine Antworten entscheiden über die Klasse meiner Figur. Wer großes Mitgefühl beweist, wird zum Barden, ein hohes Ehrgefühl zeichnet einen Paladin aus und so weiter.
Spiele wie Dragon Age: Origins zehren sehr von dem Fundament, das Ultima 4 einst in der Spielelandschaft platzierte. Moralische Entscheidungen, Konsequenzen, Charakterentwicklung. Doch die Offenheit des Spiels, das Fehlen eines unmittelbaren Bösewichts, brachte auch an anderer Front viel voran: Ultima 4 präsentierte seine Fantasy-Welt lebendiger denn je. Mein Held lebt hier wirklich, die Szenerien sind mehr als bloße Kulisse. Kein Wunder, schließlich war Britannia auch viel, viel größer als die Welten der Vorgänger.
Klar, heutzutage sieht das Vorrücken meines Männchens über die Weltkarte ziemlich unspektakulär aus. Und ihr solltet auf jeden Fall Geduld mitbringen, denn ohne Guide spielt sich das bestrafend harte Top-Down-Rollenspiel 2019 ziemlich zäh. Aber hey, anders als früher gibt's mittlerweile schließlich das Internet - und eine Zeitreise zu den Anfängen des Rollenspiel-Genres kann sehr, sehr faszinierend sein.
Faszination Ultima: Aufstieg und Fall der legendären RPG-Serie
Trivia:
- Neben Ultima 5 sollte Ultima 4 auch eine direktere Fortsetzung namens Ultima 4: Part 2 bekommen. Daraus wurde jedoch nie was.
- Paul und Linda McCartney haben Gastauftritte im Spiel.
91. Dragon Age 2
Entwickler: BioWare
Publisher: Electronic Arts
Release: März 2011

Marylin Marx: Was haben meine werten Kollegen Witze gemacht: Dragon Age 2 und eine Platzierung unter den 100 besten Rollenspielen aller Zeiten? Das Gelächter war groß - schlussendlich haben einige von ihnen es aber trotzdem in den erlauchten Kreis der RPG-Highlights genommen. Warum? Weil es trotz aller Probleme trotzdem eines der besten Rollenspiele der 2010er-Jahre ist!
Dragon Age 2 verdient mehr Anerkennung, als sein Ruf ihm zugestehen will, weil es eindrucksvoll zeigt, wie man mit einer einzigen Stadt eine tolle Geschichte erzählen kann und eine Bindung zu ihr aufbaut. Während mich die große Spielwelt in Dragon Age: Origins regelrecht erschlägt, gibt mir Dragon Age 2 mit Kirkwall eine einzelne Stadt, deren Entwicklung ich verfolge und beeinflusse. Das ist auch der Grund, warum ich Dragon Age 2 viel lieber spiele als Inquisition oder Origins: Ich baue mir über das Spiel hinweg eine Existenz und ein richtiges Zuhause auf.
Wie bei jedem Bioware-Spiel lebt auch Dragon Age von seinen Gefährten. Während einige bekannte Gesichter aus Origins auch im zweiten Teil vorkamen, verliebte ich mich besonders in den grummeligen Fenris und den wortgewandten Varric. Es sind nicht nur unsere kämpfenden Gefährten, die Kirkwall für mich zu einem Zuhause gemacht haben. Zum ersten Mal hatte ich auch eine Mutter an meiner Seite, die zusammen mit meinem Geschwisterchen Zuhause auf mich wartete und mich begrüßte, wenn ich von einem anstrengenden Tag voller Intrigen und Monster nach Hause kam.
Besonders spannend ist auch der Erzählstil, mit dem Dragon Age 2 durch die Geschichte führt. Während Gefährte Varric in der Gegenwart die Geschehnisse in Kirkwall für Inquisitorin Cassandra Pentaghast rekapitulieren, beschränkt sich der spielerische Teil auf die Vergangenheit, in der wir das Erzählte mit Hawke selbst erleben. Wir schreiben sozusagen unsere eigene Geschichte während Varric sie erzählt. Wer das nicht fantastisch und einer Top-100-Liste würdig findet, darf sich gerne mit mir per Mail streiten.
Trivia:
- Dragon Age 2 war ursprünglich nicht als Fortsetzung, sondern als Ableger unter dem Namen Dragon Age: Exodus geplant und verfolgte den Plot, der später für Dragon Age: Inquisition verwendet wurde.
- Anders Katze Sir Naseweis sollte den Magier eigentlich weiterhin begleiten. Allerdings hätte ein neues Charaktermodell entworfen werden müssen, weswegen man sich dagegen entschied.
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